Institut Ramon LLull

Berlin feiert den 100. Geburtstag von Vicent Andrés Estellés

Literatur .  10/10/2024

Vicent Andrés Estellés nimmt einen festen Platz im Kanon der katalanischen Literaturgeschichte ein. Die Feiern zum Estellés-Jahr regen dazu an, ihm noch einmal näher und mit tieferem Verständnis zu begegnen und auch jüngeren Leser*innen sein dichterisches Werk nahezubringen. Vor allem aber soll der Lyriker in einen Dialog mit anderen katalanischen Autoren verschiedener Epochen gesetzt werden, um ihn auch außerhalb seines Sprachraums bekannt zu machen.




Zur Feier des hundertsten Geburtstags wurde ein umfangreiches Programm erarbeitet, das Aktivitäten im In- und Ausland umfasst. So lädt Berlin im Estellés-Jahr zum Sopar Estellés, einem Abendessen, das Literatur, Gastronomie und Musik vereint. Solche Zusammenkünfte haben einen stark symbolischen Charakter, der auch im Werk des Dichters immer wieder aufscheint. Es geht eben nicht nur um die Person Estellés und seine Gedichte, sondern auch um seine Volksnähe, den Bezug zur Straße, es geht darum, wie Menschen sprechen und was ihre Forderungen sind, man schaut ihnen als Bürger, Feiernde und kulturelle Wesen aufs Maul.

Das Sopar Estellés

In Anlehnung an die Tradition des schottischen Burns Supper, das jedes Jahr zu Ehren des Dichters Robert Burns veranstaltet wird, kommen beim Sopar Estellés Poesie und Gastronomie in festlichem und gleichzeitig volksnahem Ambiente zusammen, um aus diesem Anlass den Dichter aus Burjassot zu ehren. Seit 2010 wird sein Geburtstag jedes Jahr im September an verschiedenen Orten im País Valencià, im Principat de Catalunya, auf den Balearen und in Catalunya Nord gefeiert – mit Liveschaltung untereinander.

Zur Feier des hundertsten Geburtstags finden in diesem Jahr rund achtzig „Sopars“ statt, eines davon in Berlin. Die Lesegruppe Club de Lectura en català veranstaltet mit Unterstützung der Acció Cultural del País Valencià und des Katalanischen Salons sowie mehreren lokalen Organisationen am Freitag, den 11. Oktober um 19 Uhr in den Räumen von „SINAPSIS Berlin“, Großgörschenstraße 6 die erste Festa Estellés in Berlin.

Auf dem Programm stehen eine Lesung mit Gedichten von Vicent Andrés Estellés sowie ein Konzert des Liedermachers Andreu Valor, dazu gibt es katalanische Speisen und Getränke. Für die Gestaltung der Plakate sorgte Berta Cusó.

Der Autor

Nur wenige Dichter haben in ihren Texten ein so weitreichendes soziales und gesellschaftliches Engagement gezeigt wie Vicent Andrés Estellés. Er gehört zu den Chronisten der finsteren Nachkriegsära, der Zeit unter dem Franco-Regime, und hat die Verhältnisse im País Valencià miterlebt, die von Ausgrenzung und Verfolgung einer Minderheitensprache geprägt waren. Aus seinem Werk spricht eine unverwechselbare Stimme, mit seinem einzigartigen Stil macht sich der Dichter zum Sprachrohr eines kollektiven Volkstons.

Joan Fuster bezeichnete Estellés als „Dichter der Wirklichkeiten“, und aus der Erfahrung dieses Blicks auf einen konkreten Ort und eine konkrete Epoche hat Estellés es nie versäumt, auch mit Humor und Freude auf die Dinge zu sehen.

Als Zeitzeuge und Aktivist hat er eine epische Topografie seines Landes erstellt, mit liebevollem Blick, wie einer, der die Stärken und Schwächen, aber auch die Widersprüche seiner Liebsten erkennt und annimmt. Die engagierten Texte, die wie durch ein Brennglas auf die Menschen und ihre Würde schauen, haben Generationen von Leser*innen geprägt. Die Kraft seiner Verse zeugt von einem Autor, der sich seinem Gegenstand verpflichtet fühlt und dem es gelingt, seinen Leser*innen den Spiegel über ihr Sein und Werden vorzuhalten und sich darin selbst zu erkennen, in Annäherung an sein Volk und doch von universaler Größe.

Estellés wurde am 4. September 1924 in Burjassot (l’Horta) als Sohn eines Bäckers geboren. Zeitgleich mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs machte er erste Erfahrungen mit dem Schreiben, zunächst für das Theater, doch er fing schon wenig später an, erste Gedichte zu verfassen. Nach Kriegsende arbeitete er in verschiedenen Berufen, zunächst im elterlichen Betrieb, später als Schreibkraft und als Goldschmied. 1942 ging er nach Madrid auf die Journalistenschule und kehrte 1948 nach Valencia zurück, um als Journalist für die Zeitung Las Provincias zu schreiben. 1978 entließ man ihn dort, weil die Zeitung ihre ideologische Ausrichtung änderte und sich infolge der Unruhen in Valencia zu einem rechtsgerichteten Organ entwickelte. Im selben Jahr wurde der Dichter mit dem renommierten Premi d’Honor de les Lletres Catalanes ausgezeichnet.